Was bisher bei ‘Der Wunsch‘ geschah:

Teil I – Der verwunsche Wunsch

Teil II – Nev brechtu, Druid! Cluto-Cluto Urtucis

Teil III – Jugendlicher Wahn

Teil IV – Im Angesicht des verfluchten Wunsches

Teil V – Halloween 2021

Teil VI – Druide Abancos und Kaiser Konrad II

Teil VII – Der Firk

Was geschah zu Halloween 1530? Im Stadtarchiv von Waller suchen sie nach Hinweisen und finden heraus, dass der Puca in dieser Gegend als Firk bekannt ist. Können den Stadtarchivar, Daniel Gutten, für sich gewinnen? Kendra überrascht Dagos in Waller, das alte Emotionen abruft.

Teil VIII – Die Geheimnisse des Stadtarchivs

Gutten sitzt an seinem Schreibtisch im Stadtarchiv und atmet tief durch. Schließlich ertönen die Worte: „Polizeistation Waller. Hallo!“

Dagos eilt schnellen Schrittes zum großen Parkplatz auf der anderen Seite der Altstadt. Das Bewusstsein darüber, dass ihm die Aufregung anzusehen ist, verursacht einen unangenehmen Schweißgeruch. Dies facht die Aufregung und den Teufelskreis von Nervosität und Schweißfluss weiter an. Dieser wird von der Feststellung unterbrochen, dass Dagos sich die nie verklungene Liebe zu Kendra eingestehen muss. Das Karussell der Gefühle dreht sich weiter, als er sie sieht. Der Wunsch, ihren Geruch in sich aufzunehmen, erwächst aus einem flüchtigen Gedanken, der sich zum Brett vor dem Kopf festsetzt. Und so läuft er stürmisch auf sie zu. Das freudige Strahlen seines Gesichts ist wie gemalt und wirkt inoperabel. Dieser Anblick erweicht Kendra, sodass sie auf ihn zugeht und ihn drückt. In tiefen Atemzügen inhaliert er ihren Geruch, den er so schmerzlich vermisst hat.

„Schön Dich zu sehen“, stammelt Dagos einem Kleinkind gleich heraus. Die offen zur Schau gestellte Zuneigung gibt Kendra die Selbstsicherheit für ihre Position.

„Bleiben wir professionell“, wenngleich sie das unbeschwerte Zusammensein mit ihm ebenfalls genießt. Dem Aufruf versucht Dagos, verstärkt nachzukommen, was sein Verhalten noch hölzerner erscheinen lässt. Aus selbst für ihn unerfindlichen Gründen sagt er mit tieferer Stimme: „Sicher. Klar.“

Er räuspert sich und fügt dem ein neutrales „Wie war die Anfahrt?“ hinzu.

Kendra nimmt ihre Sachen und mit den ersten Schritten erzählt sie: „Auf der Bundesstraße gab es einen schlimmen Unfall. Ich glaube, es gab auch Tote. Und das zu Samhain. Das ist wohl kein gutes Zeichen.“


Dagos ruft zwar „Das ist ja schrecklich!“ aus, aber über seine offenkundige Freude, Kendra an seiner Seite zu wissen, vermochte das kaum hinwegzutäuschen. Sein Lächeln und die prüfenden Blicke, ob das alles wirklich stattfindet, befördert auch bei Kendra ein Wohlgefühl.

Euphorisch beginnt sie, ihren Recherchefund zu erklären: „Ich habe mich vor Jahren schon mal damit auseinandergesetzt, aber es nie thematisiert. Ich habe es auf einem Notizzettel wiedergefunden.“

Kendra bleibt stehen und dreht sich zu Dagos.

„Also“, beginnt Kendra ihre langatmigen Sätze, „der Puca ist eigentlich ein gutmütiger Kobold. An Samhain angerufen, erfüllt er sogar einen Wunsch alle 491 Jahre. Doch Puca treibt auch gerne seinen Schabernack mit den Leuten. So ist denn jeder Wunsch an seltsame Konsequenzen gebunden. Sein Zauber währt außerdem nur zu Samhain und nicht darüber hinaus. Wenn sich die Risse in den Dimensionen schließen, versiegt die Magie. Soweit ist es ja bekannt.“

Kendra geht weiter und Dagos folgt ihr nach: „Als ich die Liste an bekannten Wünschen und deren Konsequenzen durchging, fiel mir auf: Je egoistischer der Wunsch, desto brutaler die Folgen.“

Dagos möchte mit seinem Wissen imponieren und erklärt: „Übrigens heißt der Puca in den hiesigen Legenden ‚Firk‘“, was Kendra zwar anerkennt, aber sie unterdrückt ihren Drang, Dagos dafür auch noch loben zu müssen, und fährt fort: „Ja. Firk ist ein altes englisches Wort für Streich. Jedenfalls ist überliefert, dass er mit den Resten der Ernte auf dem Felde entlohnt wird. Wenn er satt und gut gelaunt ist, warnt er die Menschen vor drohendem Unheil. Aber wenn er schlecht gelaunt ist, dann geht der Puca brutal und blutig vor. Wie die Geschichte zeigt, ist er immer dann schlecht gelaunt, wenn er einen egoistischen Wunsch hört. Nie wünschte sich jemand den Weltfrieden oder etwas für einen anderen. Jeder Wunsch, der überliefert ist, trieft vor Eigennutz. Wünsche nach Macht, Geld oder eben Jugend. Den Wunsch nach Jugend gab es schon einmal und da fand ich etwas, was mir zuvor nie auffiel. Es geht um die Geschichte des Kaisers Konrad II. Ihm nahm der Puca oder Firk die Leben zweier seiner vier Kinder. In der Geschichte über den Puca fällt das Wort ‚Agnua’ für das Feld. Du weißt: Das was auf dem Feld übrigbleibt. Das Wort ‚Agnua’ rief eine längst vergessene Notiz wieder in Erinnerung. Damals wollte ich keine Diskussion darüber auslösen, aber ich bin mir sicher, dass Agnua nicht das landwirtschaftliche Feld meint. Das Wort für Feld könnten auch ‚Achito’ oder ‚Brogae’ sein, aber in der ältesten Überlieferung dieser Sage fällt das Wort ‚Agnua’. Agnua ist eine Vermengung der Begriffe agros für Niederlage in der Schlacht, brogae für Feld und dem Wort brechtu für Fluch. Es bezeichnet ein verfluchtes Schlachtfeld. Zuerst dachte ich an ein Gemetzel, aber es könnte auch Feld des bösen Schicksals bedeuten, was wiederum als Opfer zu werten ist.“

Dagos blickt sie irritiert an. Er weiß, es ist die Pointe der Geschichte, doch der erlösende Aha-Effekt bleibt aus.

Die beiden kommen zum Stehen, als Dagos einen Krach vernimmt. Ein Verdacht keimt auf und dieser erhärtet sich: Die junge Frau, die sich lautstark und lebhaft wehrt und von der Polizei fortgetragen wird, ist Silke.

Dagos interveniert bei den beiden Beamten, die die jugendliche Silke davontragen: „Bitte, meine Herren. Sie können die junge Frau doch nicht verhaften, weil sie etwas getrunken hat.“

Den skeptischen Blicken der beiden Staatsbediensteten zu entgegnen, bekräftigt er seinen Standpunkt mit der Lüge, der Anwalt von Frau Eichmann zu sein.

„Na dann, Herr Rechtsanwalt Dagos. Wir wollen nur mal mit Ihrer Mandantin über den Tod ihres Mannes sprechen. Es haben sich da so einige Unstimmigkeiten in ihrer Aussage herausgestellt. Bei ihrer Vernehmung leistete sie Widerstand und, wie man sehen kann, tut sie das immer noch. Erlauben Sie also?“

Dagos, der sich nicht mal für Krimis interessiert, weiß nichts über die Befugnisse von Polizei und Anwaltschaft und akzeptiert die Aussage. Die Beamten tragen Silke weg und erhoffen sich nicht zuletzt eine Beförderung durch die Klärung des Falls. Widerwillig folgt Dagos dem Trio, nachdem er Kendra den Weg zum Stadtarchivar auf dem Handy gezeigt hat, die entsetzt und fasziniert von der Person Silke und ihrem Schicksal ist.

Sich nicht ausweisen zu können, erklärt Dagos den Beamten mit dem sonntäglichen Spaziergang in der Stadt. Damit erklärt er auch sein légeres Äußeres, das so gar nicht nach der Zivilkluft eines Anwalts aussah. Doch da kann man sich ja irren, wussten die beiden Polizisten und bitten ihn, alles nachzureichen.

Silkes post-pubertäre Aussagen, die vor gereizter Unlust und missmutigem Widerwillen strotzen, erbringen den Beamten nicht die karriereförderlichen Antworten. Die häufigsten Aussagen von Silke in dem Ermittlungsgespräch beginnen mit „ich weiß nicht“ und enden mit „ist mir doch egal“.


Die Unfähigkeit des vermeintlichen Anwalts Dagos in dieser Situation war gleichfalls wenig hilfreich. Als er zum ersten Mal im Verhör einschreitet, steht die Frage einer Affäre im Raum. Dieses Vorgehen platziert Dagos nach ganz oben auf die Liste der Verdächtigen und formt bei den Polizisten das Bild eines jungen Mädchens, das eines anderen Mannes Zuneigung ausnutzt, um ihren Ehemann loszuwerden.

Die beiden Beamten, Fritz und Franz, gaben sich selbst den Spitznamen ‚F-Bluthunde der Polizei Waller‘ und diese Bluthunde folgen der neuen Spur. Nachdem Silke und Dagos die Polizeistation verlassen haben, warten die beiden Polizisten nur kurz, um die heimliche Observation aufzunehmen.

Silke atmet draußen wie immer die frische Luft tief ein. Mit dem Ritual erinnert sie sich wieder an ihren Sohn und sie erkennt in Dagos ihren Retter. Die beiden Beamten beschließen die Observation des scheinbaren Pärchens, das die Straße entlang bis zur Kirche geht und dann das Stadtarchiv betritt. Beide Polizisten öffnen die Halterung ihrer Waffen, denn sie vermuten einen Racheakt am Stadtarchivar. „Der Daniel hat uns doch auf die Fährte gebracht“, erklärt Fritz seinem Kollegen Franz. Unentdeckt folgen die Beamten den beiden Verdächtigen in das Gebäude des Stadtarchivs.

Mit dem Wiedererscheinen von Silke und Dagos rechnete Gutten nicht so früh. Er empfing Kendra offen, da auch ihr Herz erkennbar für die Geschichte brennt, aber er schweigt sich bezüglich seiner Beteiligung am polizeilichen Eingriff aus.

„Wie geht es Euch?“, fragt Gutten ein wenig geheuchelt. Zu groß war die Verlockung, mehr über den Firken herauszufinden. Und sollte bei der Polizei doch ein Zweifel über seine Person bekundet werden, würde er auf seinen Anruf verweisen. Er hatte seine Bürgerpflicht erfüllt. Damit konnte er auch den Verrat an Silke Eichmann für sich vertreten, den er gegenüber diesen Leuten einfach zu verschweigen plant.

Zumal Gutten ziemlich aufgeregt ist und ungeduldig darauf drängt, von den neuesten Erkenntnissen zu berichten. Schon im Moment der allgemeinen Vorstellungsrunde beginnt er: „Puca oder Firk, den Silke offenbar beschworen hat, bekommt der Legende nach die Reste des Feldes nach Halloween. Aber Kendra hat herausgefunden, dass es sich dabei um ein Schlachtfeld handelt. Lange Rede, kurzer Sinn: Damit ist wohl ein Opfer für die Erfüllung des Wunsches gemeint. Daraus resultiert, dass der Firk der Legende nach“, denn Gutten haderte immer noch mit der Wirklichkeit der Erzählungen, „menschliches Leben oder ihre Seelen verlangt.“

Gutten vergewissert sich der Zustimmung und ein bisschen des Lobs von Kendra, die in dem Heischen nach Lob immer mehr ein männliches Phänomen sieht.


Gutten ist es unangenehm, so wenig darüber zu wissen. Schließlich ist er es gewöhnt, über die Herkunft der Leute zu schwafeln. Doch Gutten beherrscht sein Handwerk und kann mit seinem zusammengetragenen Wissen brillieren: „Ein überlieferter Fall in der Geschichte dieser Stadt fand vor 491 Jahren statt. Es heißt, es war zu Ostern. Aber, und das ist ein wichtiger Hinweis, das Datum wurde in den alten Akten retuschiert. Ich habe es selbst überprüft. Ich glaube ja“, stellt Gutten seine These in den Raum „man wollte den Zusammenhang mit dem heidnischen Datum 31. Oktober verheimlichen. Zumal es auch ein evangelischer Feiertag ist. Denn das Datum wäre geeignet, die Autorität der Kirche zu untergraben. Für die Geistlichen damals war das auch gar nicht schwierig, denn sie hüteten die Bücher und Lesen war eh nicht jedermanns Sache. Nur Eure Chroniken der Druidenschaft wussten noch von dem Vorfall – wenn sie denn nicht doch erfunden sind. Eine mögliche Erklärung dafür ist, dass man das Geheimnis“, Gutten setzt die gestikulierten Anführungszeichen in die Luft, „des verwunschenen Wunsches hüten will“, und referiert aus seiner Interpretation der Ortsgeschichte: „Niemand sollte das richtige Datum kennen, sodass niemand mehr einen Wunsch an den Firken stellen kann. Aber urteilt selbst, wenn ihr gehört habt, was wir herausgefunden haben. Der Graf Georg III kam im Jahr 1530 dem Wunsch auf die Schliche. Das ist eine Geschichte von Tod und Teufel. Es war 13 Jahre nach den Thesen Luthers in Wittenberg. Die Reformisten alias die Wiedertäufer der Fraktion des Reformisten Zwingli waren in der Stadt und predigten von Wandel und Veränderung. Zur Missbilligung des katholischen Probsts des Klosters hörten die Menschen dieser Stadt ihnen zu. Viele waren des ausbeuterischen Glaubens überdrüssig. Die Menschen, gerade in der Stadt, wollten sich von der alten katholischen Lehre trennen. Doch da gab es ein Problem: Der Kaiser, von dem sie als Reichsstadt von der Pfandherrschaft des grausamen Grafs Georgs III befreit werden wollten, war katholisch. Zudem fand Georg III große Anerkennung beim Kaiser, als er fünf Jahre zuvor die Bauern niedermetzelte, die nur wenig verlangten und auch das nicht bekamen. Georg III folterte die Rädelsführer und deren Familien zu Tode. Die Wiedertäufer in Waller forderten mit ihrem Aufruf von unmittelbarer Teilhabe an Gott die Macht der Kirche und damit die Macht des katholischen Kaisers heraus. Georg fand daher volle Unterstützung für seine erbarmungslose Vorgehensweise.

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Ich bin Cobromaro, Schüler des Attrebcottus - des großen Druidenmeisters und Kenners des Ululators. Ich wurde von den Göttern berührt. Ich bin Druide, Vates, Drumaros, Bezwinger von Rom, Kenner der Heilgewächse im Namen von Epona, Offenbarter der Macht des Sonnengottes Lugh, genannt Feuerlehrling, Kenner des Geheimnisses des Gottes Taranis und schreibender, gottloser Philosoph.

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