Was bisher bei ‘Der Wunsch‘ geschah:

Teil I – Der verwunsche Wunsch

Teil II – Nev brechtu, Druid! Cluto-Cluto Urtucis


Silke Eichmann hadert mit dem Leben und stößt inbrünstig einen Wunsch zu Halloween aus. Erst steht die Erde still und seltsame Worte dringen zu ihr durch und dann begegnet sie einem seltsamen Mann, der ihr zunächst den Weg blockiert. Der Seltsamkeiten genug will Silke nur noch nach Hause, doch der Nebel blockiert die Sicht. Von einem Moment auf den nächsten ist dieser zwar verschwunden, doch die Polizei hält sie an.

Teil III – Jugendlicher Wahn


Der Blick zum Seitenspiegel mit dem Bild des Polizisten, der aus dem Auto steigt, verursacht bei Silke ein Schwindelgefühl. Sie kann nicht mehr ertragen und was noch bedeutsamer ist, sie will nicht mehr ertragen. Sie bemerkt die straffere Haut ihrer Hände. Wenigstens die Antifalten-Creme scheint zu funktionieren, findet sie einen neuen positiven Aspekt des Tages. Doch ihre Hände zittern auch, und das ist kein gutes Zeichen, wenn man von der Polizei kontrolliert wird. Sie kramt in ihrem Portemonnaie nach ihren Papieren, öffnet das Fenster und atmet mit geschlossenen Augen tief ein und wieder aus. Dann öffnet sie ihre Augen und sucht nach dem Quell der akuten Besorgnis. Dieser ist recht gutaussehend, wie Silke zu ihrer Überraschung feststellt. Sie mustert den 10 bis 15 Jahren jüngeren Mann und spürt ein Bedürfnis nach Abenteuer und Ungestüm.

Mit strahlenden Augen und einem süffisanten Lächeln bückt sich dieser gut gelaunte Mann an ihr Autofenster: „Na? Sie haben es nicht eilig heute? Oder warum fahren Sie so langsam?“

Silke sucht nach Worten, die das erklären könnten, ohne ihre Wahrnehmungsstörungen zu erwähnen. Mit „Ähhs“ überbrückt sie die Zeit, als eine andere Begebenheit sich aufdrängt: Irritationen über die flirtenden Augen des Polizisten stellen sich ein. Der junge Beamte langt durch Silkes Fenster zur Fahrzeugkonsole und deaktiviert das Nebellicht. Es ist Silke zwar unangenehm, dass es unberechtigterweise an war, doch das Hereingreifen empfindet sie als übergriffig. Derartiges ist Silke auch schon seit langer Zeit nicht mehr untergekommen, zudem es damals eine andere Zeit war. Das könnte man zumindest meinen. Je länger sie darüber nachdenkt, desto öfter kommt ihr der Zusammenhang mit diesen Männern in den Sinn. Männer verursachen Probleme, die es ohne sie gar nicht gäbe. Selbst wenn Silke geschmeichelt reagieren will, sie kann nicht umhin, echauffiert zu sein. Sie kreist sich um ihr eigentliches Problem: Männer!

Im Angesicht ihres wildwütigen Blicks reagiert der Polizist verlegen. Statt Worte präsentiert Silke dem Polizisten ihre Papiere mit einem Surren in der Luft. Doch der Polizist lehnt sehr zu Silkes zusätzlichen Missfallen die Aushändigung der Dokumente in Gutsherrenmanier ab: „Sie sind ja nicht zu schnell gefahren. Ich wollte ja nur sehen, ob es Ihnen gut geht.“

Diese Worte reduzieren zu ihrer eigenen Überraschung ihre Wut auf Männer im Allgemeinen und diesen im Besonderen. Daher nimmt sie sich nonchalant heraus: „Dann kann ich ja jetzt weiterfahren, ja?“

„Sicher, sicher“, rüttelt der Polizist seine Ausrüstung mit seinen Händen am Körper in die gewünschte Position und wünscht Silke qua militärischem Gruß eine gute Fahrt, bevor er sich zu seinem Dienstwagen begibt. Mit einem hohen Grad an Gleichgültigkeit, ob sie vor dem Polizisten losfahren darf, tritt sie auf das Gaspedal und der Polizeiwagen verkleinert sich schnell im Rückspiegel.

In Silkes Bewusstsein blitzen Ideen auf, was sie alles mit dem jungen Mann machen hätte können. Nur kurz glimmt die Vorstellung einer verpassten Gelegenheit auf. Doch Gleichgültigkeit legt sich dämmend darüber. Es fühlt sich an wie ein einmaliger Anstrich weißer Farbe über ein Kolorit.

Silke genießt die Sorglosigkeit. Sie war in ihrer Jugend ein ständiger Begleiter, welcher ihr Flügel verlieh und nicht zuletzt ihren Status an der Schule sicherte. Diese Hochnäsigkeit war gespielt, aber sie war Silke Mittel zum Zweck. Und dieser Zweck war seinerzeit Frank. Doch war ihr der Blick in die Zukunft verwehrt. Heute weiß Silke: Frank ist nicht heiß, er ist langweilig. Seine spießige Langeweile sei unerträglich, diagnostiziert Silke ihren Mann, und das sei ursächlich für das vorzeitige Ende ihrer vielversprechenden Karriere als Sängerin. Einzig ihr Sohn Ben hatte Silke bei ihrer Gesangskarriere unterstützt. Nur Ben hatte sie mit seinen 12 Jahren unterstützt und lauschte ihren Einlagen. Für Frank ist es unerheblich, ob sie singt oder nicht. Deshalb hätte sie bei einer steilen Karriere ihren Mann verlassen und nur ihren Sohn auf Welttournee mitgenommen.

Als sie vor das Haus fährt, steht das Auto von Frank bereits in der Auffahrt. Das Licht brennt und offenkundig schaut Frank schon wieder Fernsehen. Die Überlegung, dass ihr Mann Frank vor dem Fernseher wenigstens beschäftigt ist, stimmt Silke froh. So würde er sie nicht stören, sie müsste sich über nichts aufregen und könnte ungehindert ihrer Dinge nachgehen. Dementsprechend entbietet sie mehr dem Haus denn seinen Einwohnern ein leises „Hallo“, das glücklicherweise nicht erwidert wird.


Silke greift in der Küche nach einer neuen Flasche des guten Weißen und bereitet sich und das Bad auf eine heiße Badewanne vor. Diese Kombination ist der aktuelle Inbegriff der Wohltat. Die Entspannung entführt Silke in den ohnmächtigen Dämmerungszustand kurz vor dem Schlafengehen. So vergeht die Zeit mit gelegentlichem Einnicken und einem ausgedehnten Wellnessritual. Als der Dampf im Badezimmer abklingt und die Uhrzeit freigibt, erkennt sie die späte Stunde. Sie befreit den Spiegel vom Wasserdampf und erblickt die Silke, die sie vor Jahren war. Sie lächelt trotz der Frage, wie das zustande kam. Es muss die Müdigkeit sein, die sie in diesem jungen Alter erscheinen lässt. Mit dieser Verjüngungskur könnte man wohl sehr reich werden. Mit einem weiteren Blick bestätigt Silke das verjüngte Spiegelbild. Die feinen Striche an den Augenrändern scheinen nie existiert zu haben. Silke streift mit den Fingern die straffe Haut um die Augen entlang. Nach einem tiefen Schläfchen würde sie der Sache nachgehen. Bis dahin verkündet sie vor sich selbst: „Gleichgültige Entspannung ist das Geheimnis des Jugendkults!“

Silke packt sich in den Bademantel ein und begibt sich ins Bett. Der gelungene Abend war ein akzeptabler Ausgleich für den fürchterlichen Tag, den sie nur vergessen will. Silke achtet nicht auf Frank, er würde das schöne Gefühl jetzt nur trüben. Im Bett streckt sie sich zu allen Richtungen aus, heute nimmt sie sich das einfach heraus!

Der nächste Tag beginnt: Ein Sonntag, der sich am frühen Morgen noch recht diesig zeigt. Erst öffnen sich die Augen und die Erlebnisse sind nur noch ein Erinnerungsschatten eines Traums, der auch bald verschwinden wird. Silke hat auch ein Erwachensritual, bei dem sie sich noch für wenige Momente zur Seite dreht und den Tag ganz langsam Wirklichkeit werden lässt. Dafür hebt sie wie üblich den Oberkörper hoch, um sich nicht die Brust zu quetschen. Als sich Silke wieder hinlegt, bemerkt sie den späten Moment, da ihre Brust auf der Matratze ankommt. Sie schaut nach. Die Brust hat sich zusammengezogen und die Merkwürdigkeiten nehmen kein Ende. Die Hände sind straff und fest. Das schafft keine Creme und keine Kur. Silke entfernt die Decke und erkennt, dass ihr ganzer Körper erscheint, als wäre er keine 20 Jahre alt. Die Beine unterstreichen das. Keine Falten, keine Cellulite und keine Anzeichen des mittleren Alters.

Ungläubig drückt und zieht Silke am Gewebe ihrer Beine, das sich eng um den Knochen windet. Es steht nichts ab, es hängt nichts herunter und die Falten im Dekolleté, soweit sie den Blick absenken kann, sind verschwunden.

Silke müsste sich freuen, doch das Gefühl ist blockiert von der Skepsis an der eigenen Wahrnehmung. Das Wort widernatürlich gespenstert in ihrem Kopf herum. Sie setzt sich auf und erkennt, dass ihr Mann ist gestern nicht ins Bett gekommen ist.

„Frank?“, ruft Silke. Doch sie hört keine Stimme. Sie steht auf und bleibt vor dem Spiegelschrank neben dem Bett stehen. Sie ist fassungslos über den Anblick, der wahrlich widernatürlich ist. Silke ist wieder jung. Sie sieht aus, als wäre sie wieder zarte 18 Jahre alt.

Sie lächelt. Sie drückt und zieht erneut an ihrem festen Hautgewebe. Ihr Bauch ist dünn, ihre Oberarme hängen selbst ohne gespannte Muskeln nicht.

„Frank!“, brüllt Silke noch lauter zur Tür und eilt ihrem Schall hinterher. „Frank! Wo bist Du denn?“

Silke eilt durch das weitläufige Haus zum Bad, doch da ist niemand. Sie begibt sich ins Esszimmer im Erdgeschoss, wo Frank gleichfalls nicht vorzufinden ist. Es ist Sonntag und das sind die Plätze, wo Frank sich gewöhnlicherweise aufhält. Dann steigt in Silke ein Verdacht von Unheil auf. „Was ist passiert?“, spricht sie leise vor sich hin.

Das Gefühl, dass sich die seltsamen Vorgänge heute fortsetzen, lösen in Silke eine Hektik aus. Als sie den Türknauf zu Bens Tür in der Hand hat und ihre Gedanken ins Schlimmste abgleiten, steigt mit einem Grollen aus der Tiefe des Abgrunds Panik auf. Das schlimmste Szenario ist eingetreten: Ben ist nicht da. Silke versucht sich zu beruhigen, um die Suche nach Ben fortzusetzen, aber ein Entsetzen droht sie zu verschlingen. Sie fasst die Idee, ihn anzurufen und tippt eilig seine Nummer. Es klingelt im Nebenraum, wo Ben sitzt und auf seinem Telefon spielt. „Was ist denn?“, fragt er seine Mutter harsch. Von seinem Spiel abgelenkt, beachtet Ben seine Mutter nicht wirklich. Nur die Worte, „Ich habe Hunger“, purzeln aus seinem Mund.

„Wo ist Dein Vater?“, fragt Silke drängend als sie neben ihm steht. Doch Ben zuckt mit den Schultern und gibt ein wenig angestrengtes „Weiß ich doch nicht!“ ab. Ohne aufzuschauen, weist er seine Mutter auf ihr Versprechen hin: „Vergiss nicht, Du hast gesagt, dass ich heute mit meinen Freunden Süßigkeiten sammeln gehen kann. Es ist Halloween!“


Für diese Diskussion hat Silke gerade keine Zeit und winkt ab. Sie durchstreift noch die anderen Räumlichkeiten und findet Frank schließlich auf dem Sofa im Wohnzimmer vor dem Fernseher liegend. Seine gebeugte Haltung lässt Silke vermuten, dass ihr Mann auf der Couch geschlafen hat. Sie atmet erleichtert durch. Es ist nichts passiert, im Gegenteil, es ist alles normal. Frank war wieder einmal in einer Samstagnacht vor dem Fernseher eingeschlafen. Sie will es zwar erst prüfen, aber Silke glaubt, Frank habe sich nachts einen Porno angeschaut und war darüber eingeschlafen.

Auf ihr vorwurfsvolles „Frank!“ reagiert dieser aber nicht. Aus einer Melange aus echter Sorge und der sich jüngst wieder eingestellten Unlust auf eine der zahlreichen Diskussionen über alles Mögliche tritt Silke an Frank heran. Sie umkreist das Sofa und steht vor ihm. Sie will dieser kuriosen Verhaltensweise ein Ende bereiten. Silke ist sich sicher, dass Frank simuliert. So tief schläft er nicht. Also wird sie lauter: „Frank! Bitte! Steh jetzt auf! Was bist Du nur für ein Vorbild für Deinen Sohn?“

Doch Frank reagiert nicht. Längst hätte er ihrem Tonfall widersprochen. Also greift sie nach ihrem Mann. Ihre Finger tasten sich vor und es scheint sich zu bestätigen, was Silke nicht mal gedanklich zulassen will.

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Ich bin Cobromaro, Schüler des Attrebcottus - des großen Druidenmeisters und Kenners des Ululators. Ich wurde von den Göttern berührt. Ich bin Druide, Vates, Drumaros, Bezwinger von Rom, Kenner der Heilgewächse im Namen von Epona, Offenbarter der Macht des Sonnengottes Lugh, genannt Feuerlehrling, Kenner des Geheimnisses des Gottes Taranis und schreibender, gottloser Philosoph.

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