Was bisher bei ‘Der Wunsch‘ geschah:

Teil I – Der verwunsche Wunsch

Teil II – Nev brechtu, Druid! Cluto-Cluto Urtucis

Teil III – Jugendlicher Wahn

Teil IV – Im Angesicht des verfluchten Wunsches


Frank, der Mann von Silke Eichmann, hat für ihre Jugend mit seiner Lebenszeit bezahlt. Sie wurde jung, wie ihr Mann alt und zu einer seltsam-entstellten und grässlichen Leiche wurde. Silke sucht diesen seltsamen Mann auf, der sich Dagos nennt. Dagos erklärt Silke, dass der Puca ihren Wunsch zu Halloween erhört hat.

Teil V – Halloween 2021

Der Weg führt die beiden zum nahe gelegenen Stadtsee, was Dagos nutzt, um sich richtig vorzustellen: „Ich bin Dagos! Ich bin Druide und ein Wächter der Chroniken der Druidenschaft.“

Den ungläubigen Blick kennt Dagos längst. Also setzt er erneut an: „Nun, das klingt weit hergeholt, aber Sie haben es ja am eigenen Leib erlebt. Niemand glaubt mir, bis etwas passiert. Auch Ihnen geht es jetzt so, Frau Eichmann. Nicht wahr?“

Das kann Silke nicht einfach vom Tisch wischen. Trotz der Absurdität muss sie sich mit dem auseinandersetzen, was sie unter gewöhnlichen Umständen als Quatsch ablehnen, geschweige denn anhören würde.

Sie rappelt sich innerlich auf und bietet Dagos zunächst das Du an: „Ich bin Silke.“

Dagos schlägt ein und sagt: „Nennen Sie mich Dagos.“

Silke hakt nach: „Heißen Sie Dagos Dagos?“ Doch Dagos schüttelt nur den Kopf. Das verleitet Silke zu dem Gedanken, dass das ein Affront sein soll. Allein dessen, aber um der gesamten Situation Willen, stürzt sie sich leicht eingeschnappt in den nächsten Laden und besorgt sich einen Dosensekt. Etwas, das sie seit Jahren nicht mehr tat, aber es erscheint ihr angebracht.

Noch im Zurückkommen hat sie die Sektdose zur Hälfte geleert: „So, jetzt bin ich bereit für den Quatsch!“

Dagos ist irritiert, aber er versteht langsam, womit er es zu tun hat.

„Wo war es?“, fragt er sie. „Wo haben sie den Wunsch geäußert?“

Silke weist ihm den Weg zur Brücke, die bereits in Sichtweite ist.

„Eine Stelle, wo ein Bach in einen See mündet. Das könnte sein. Das scheint einst ein heiliger Platz gewesen zu sein.“

Dagos blickt der Anhöhe folgend hoch und erspäht die Pfarrkirche. So konstatiert er: „Ja, das passt. Dies war den Kelten vermutlich ein heiliger Ort.“

Silkes Blick zu der Erklärung schreit ein stummes ‚Langweilig!‘ hinaus.

„Die meisten Kirchen wurden auf germanischen oder keltischen Heiligtümern errichtet. Es spricht viel dafür, dass es ein heiliger Ort ist beziehungsweise war. Das müsste man genauer recherchieren, aber dafür fehlt uns die Zeit. Zudem ist heute Sonntag und das hiesige Stadtarchiv ist auch geschlossen. Wir müssten aber dennoch herausfinden, ob Du tatsächlich einen Puca um einen Wunsch gebeten hast. Hast Du Dir denn Jugend gewünscht? Und wen hast Du dafür dem Puca versprochen?“

„Ich habe was?“, sagt Silke als wäre sie vollends unbeteiligt an den Vorgängen. Doch es ist ihr bewusst, dass sie sich ihre Jugend zurückgewünscht und sie ihren Mann dafür unbewusst geopfert hat. Ohne die Antwort des Druiden Dagos abzuwarten, stellt sie ihre entscheidende Frage: „Wie können wir das rückgängig machen?“

„Das ist unmöglich. Wir können die Zeit nicht zurückdrehen. Aber wir können das Opfer vielleicht verhindern“, erklärt Dagos.

Silke stehen die Tränen in den Augen, als ihr wieder einfällt, wer das Opfer ist: „Mein Mann ist plötzlich alt geworden… Er ist einfach …“

Silkes Tränen fließen. Dagos nimmt sie in den Arm und spendet die verbale Trostformel: „Mein Beileid!“

Von der Neugier angetrieben, bleibt Dagos unerbittlich bei der Sache. Schließlich ist es die Art von Zauber, von der er bisher nur gelesen hatte: „Es gab schon ein Opfer. Nun müssen wir verhindern, dass es noch ein Opfer gibt. Deine Jugend, Silke, währt nur so lange, wie das Halloween-Fest anhält. Es begann gestern und dauert noch bis morgen. Es wird also ein weiteres Opfer brauchen, wenn es der Puca war.“

Während Dagos sich in die Theorie über den Puca stürzt und Eventualitäten durchgeht, schärft sich Silkes Verstand. Sie muss einen Hinweis haben, dass dieser Mann, dieser Druide namens Dagos kein Scharlatan ist: „Woher wusstest Du von mir und dass ich auf dem Parkplatz war?“.

„Jeder Schamane und jede heilige Person konnte den Dimensionsbruch wahrnehmen. Stundenlang war es still und leise, als würde die Welt aufhören, sich zu drehen.“

Silke insistiert: „Wieso hatte ich das Gefühl, dass nur wenige Minuten vergangen sind?“

Dagos Antwort ist ein eigener Rückschluss; woher sollte es dazu auch eine wissenschaftliche Erkenntnis geben? Das zuletzt berichtete Ereignis dieser Art fand vor rund 500 Jahren statt: „Bei einem Dimensionsbruch verläuft die Zeit wohl anders. Ich glaube, es ändern sich die physikalischen Gesetze in diesem Augenblick. Sonst ist es gar nicht zu erklären. Ich kenne das nur aus den Chroniken und ehrlicherweise dachte ich nicht, dass ich das je erleben würde. Ich hatte meine Zweifel an diesem Teil der Überlieferungen. Ich glaubte an eine gruselige Geschichte, deren wahre Wurzeln längst überwuchert sind. Du siehst, Silke, auch ich habe meine Schwierigkeiten, damit umzugehen. Aber ich bin darauf vorbereitet worden und ich erkannte die Zeichen. Wir Wächterdruiden der Chroniken sind darauf trainiert, die Dimensionssprünge zu erkennen und sich der Weltenpause zu entziehen. Als ich es realisierte, machte ich mich augenblicklich auf den Weg. Wenn überhaupt, würde es hier in der Gegend passieren. Das ist das Einzige, was ich wusste. Ich wusste nicht, ob es Puca oder ein anderes Wesen ist, dass während Halloween Zugriff auf unsere Dimension nimmt. Schließlich muss ein solcher Geist einen Empfänger haben, sonst gibt es keine Kommunikation. Selten trifft es jene, die es nur ausprobieren. Der Puca beispielsweise reagiert nur auf einen Wunsch, der aus dem tiefsten Inneren kommt. Und Du, Silke, Du hattest eine Aura um Dich, als würdest Du glühen. Es dauerte nicht lange, bis die Zeichen mich zu Dir geführt haben. Ich wusste aber nicht, wie ich Dich ansprechen sollte, sodass Du mir Glauben schenkst. Es ist ein…“

„Okay!“, beendet Silke das für sie uninteressante Beiwerk zur Geschichte. „Zurück zu meiner Frage: Wie kann ich es rückgängig machen?“


„Nun, wie gesagt …“, Dagos wirkt so bedröppelt, wie er zuvor euphorisch klang. „Ein Zurück gibt es nicht, aber wir können ein weiteres Opfer womöglich verhindern. Wenn es der Puca war, der nur alle 491 Jahre einen Wunsch erfüllt, dann muss ich erst noch recherchieren. Es liegt nämlich an der Sternenkonstellation. Saturn und Jupiter müssen im richtigen Verhältnis zueinander im Sternbild des Steinbocks stehen. Dann kann man kurze Zeit nach Sonnenuntergang einen Wunsch äußern, dem sich der Puca annimmt. Der Wunsch muss an einem heiligen Ort zwischen dem Bodensee und der Donau gestellt werden. Der Legende nach, die sich nunmehr erfüllt hat, geht das jedoch mit Tod und Verderben einher.“

Dagos spult sein Fachwissen ab, für das er nur in seltenen Situationen Zuhörer findet.

„Der Puca ist ein Kobold. Er lebt eigentlich in einer anderen Welt und nur wenn sich die Welten überschneiden, kann er in unsere Welt vordringen. Er ist aber auch ein Formwandler und kann jede Gestalt annehmen, die er will. Doch für den Übergang braucht er eine Kontaktperson und das bist nun Du, Silke.“

Dagos atmet schon schwer, um die Geschichte so kurz wie möglich zu halten. Er rekapituliert und befindet, dass er das Grobe wiedergegeben hat. Er dreht sich zu Silke, die ihm abgelenkt erscheint. Tatsächlich hat Silke bereits bei „Puca“ und „Kobold“ abgeschaltet. Sie blickt auf ihre Fingernägel und überlegt, welche Farbe ihr stehen würde.

„Du hast dir doch gewünscht, du wärst wieder jung, oder?“, fragt Dagos Silke, die ihm dadurch wieder etwas Aufmerksamkeit zukommen lässt.

„Ich… Ich …“, brabbelt Silke in der Überlegung der Verteidigung. „Ich kann doch nichts dafür, ich wusste ja nichts von diesem Puca. Aber als ich aufwachte war ich jung und…“

Was Dagos als Trauer erkennt, ist in Wahrheit Silkes Vergesslichkeit. Sie überlegt den Namen ihres Mannes. Obwohl sie ihn jeden Tag in verschiedenen Tonlagen äußerte, war er ihr nicht gegenwärtig. Aus einem unerfindlichen Grund ist die Erinnerung an ihren Mann verblasst. Sie hat aber die Bilder des Leichnams deutlich vor den Augen: „Mein Mann ist tot.“

Wie sollte sie die Todesumstände nur erklären. Soll sie sich schuldig fühlen? Silke weiß nicht einmal, was seltsamer klingt: Dass sie einen Mann hat oder dass dieser verstorben war, und zwar auf sehr mysteriöse Weise? Die Gedanken stärken die Verwirrung.

„Dein Wunsch, Silke, wurde erhört. Du bist für die Dauer des heiligen Zeitraums zu Samhain, also Halloween, wieder jung. Für jede Nacht muss jemand mit seiner Lebensspanne dafür bezahlen, dass Du jung bist. Für diese Nacht war es Dein Mann. Für die nächste Nacht ist es jemand anders. Was hat der Puca gesagt, was genau hast Du ihm dafür geboten? Vielleicht unterbewusst?“

Wie Schockwellen kommt Silke die Situation wieder ins Gedächtnis, als sie den Atem des Wesens spürte, das hinter ihr stand. „Das Monster ist groß und spricht ganz seltsam.“

„Nein“, erwidert Dagos, „das ist kein Monster, sondern ein Kobold. Er kann jedoch seine Form nach Belieben verändern. Was er darstellt, erscheint immer anders. Daher nennt er sich auch Puca. Aber kannst Du Dich an seine Worte oder Deinen genauen Wunsch erinnern?“

Silke kramt tief in ihrem Gedächtnis, doch sie findet nur: „Irgendwas mit brechen Dud und Clato uturk, oder so?“

Dagos durchdenkt sich die Worte und kommt zu dem Ergebnis: „Puca dachte wohl, Du bist ein Druide. Also Druid nicht Dud. Und hieß es vielleicht cluto?“.

Silke zuckt mit den Schultern und Dagos erklärt: „Das bedeutet ‚verstehen oder hören’. Vermutlich wollte der Puca Dir sagen, dass er Deinen Wunsch oder Fluch erhört hat.“

Allmählich beginnt Silke, sich in das Gesagte hineinzuversetzen: „Dann werde ich morgen wieder alt sein?“

Gedanklich steht Silke auf, um den verbleibenden Tag ihrer Jugend zu genießen.

„Wen hast Du angeboten? Auf wen hast Du geschimpft? Heute nach Sonnenuntergang wird ein neuer Tribut fällig. Wer bezahlen wird, das hast Du entschieden. Du hast Deinen Mann erwähnt, nicht wahr?“

Silke nickt.

Dagos schwant etwas: „War es vielleicht eine grobe Verallgemeinerung? Eine Anklage an die Männer?“

Silke blickt ertappt hoch und nickt abermals. „Dann, so schätze ich ohne weitere Nachforschungen anzustellen, wird Dein Vater oder dein Bruder oder ein Mann aus Deiner Familie sterben, damit Du bis zum Ende von Halloween noch jung bleiben kannst.“

Doch Silke kann sich die Konsequenzen immer noch nicht richtig ausmalen.

„Mein Gedächtnis ist heute seltsam langsam“, bemerkt Silke.

„Du vergisst immer mehr von deinem alten Leben. Die Jahre nach der Jugend kommen erst nach Halloween wieder. Das ist vermutlich ein Teil Deines Wunsches nach Jugend. Der Puca ist äußerst genau bei der Wunscherfüllung. Du wirst wieder jung – körperlich und geistig. Aber er ist eben auch bezüglich der Rechnungsbegleichung für den Wunsch sehr gründlich.“

In diesem Augenblick durchdrang ihr Sein ein Ruf eines weit entfernten Gedankens, als hätte sie etwas Wichtiges vergessen. Als Silke es begreift, ruft sie laut den Namen ihres Sohnes aus: „Ben! Mein Sohn, er wird der Nächste sein, der dafür bezahlen muss! Was wird mit ihm geschehen?“

Fast schon traurig blickt Dagos ihr in die Augen: „Er wird dafür bezahlen, dass Du jünger geworden bist.“

„Okay!“, unterbricht Silke Dagos und bringt es auf den Punkt: „Wie können wir das aufhalten? Wie kann ich meinen Sohn schützen? Wie können wir alles wieder auf normal stellen?“

Doch der Zauber, von dem er bisher nur gelesen hatte, ist eingetreten.

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Ich bin Cobromaro, Schüler des Attrebcottus - des großen Druidenmeisters und Kenners des Ululators. Ich wurde von den Göttern berührt. Ich bin Druide, Vates, Drumaros, Bezwinger von Rom, Kenner der Heilgewächse im Namen von Epona, Offenbarter der Macht des Sonnengottes Lugh, genannt Feuerlehrling, Kenner des Geheimnisses des Gottes Taranis und schreibender, gottloser Philosoph.

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