Was bisher bei ‘Der Wunsch‘ geschah:

Teil I – Der verwunsche Wunsch

Teil II – Nev brechtu, Druid! Cluto-Cluto Urtucis

Teil III – Jugendlicher Wahn


Der Polizist, der Silke anhält, erscheint seltsam nett und als sie daheim ist, genießt sie ein Bad. Die schrecklichen Begebenheiten des vergangenen Tages scheinen aber wie eine Verjüngungskur gewirkt zu haben. Dieser Eindruck verfestigt sich, als sie sich am nächsten Tag zu Halloween in ihrem Teenager-Körper wiederfindet. Diese dramatische Verjüngung wird von einem Vorfall überschattet.

Teil IV – Im Angesicht des verfluchten Wunsches


Silkes Mann, Frank, wirkt steif, geradezu leblos steif. Die Konsequenz dessen bricht sich in diesem Augenblick in ihrem Kopf Bahn. Sie zieht die Decke weg und starrt um Fassung ringend auf eine dürre und ausgemergelte Gestalt, die womöglich ihr Mann sein könnte. Wie sie jung geworden war, war er gealtert – geradezu verwest. Ein Zittern des Leibs erlaubt die Hoffnung, er sei noch am Leben. Doch der prüfende Blick auf die faltige Haut, die in tiefen Furchen in die Knochengruben hängt, lässt den Tod vermuten.

Silke will schreien, doch kein Laut entflieht ihrem Mund. Erneut zieht sie ihre Wahrnehmung in Zweifel. Sie muss sich eingestehen, dass sie nicht weiß, ob sie das gerade wirklich sieht. Soll sie Ben fragen? Oder soll sie ihm diesen Anblick ersparen?

Leise spricht sie Frank noch mal an, doch seine Reaktion bleibt aus. Nichtsdestoweniger atmet er. Er verharrt paralysiert in der Embryonalstellung. Silke zieht ihn an seinem Hemd in eine vertikale Position, auch um ihn besser begutachten zu können. Dass ihm sein Hemd zwei Nummern zu groß ist, ist für Silke noch kein überzeugender Beweis ihrer grausigen Vorahnung. Silke will sichergehen und fragt ihn: „Was ist denn passiert?“

In Zeitlupe drehen sich Franks Augen zu seiner Frau, angestrengt versucht er sie wortlos aufzureißen. Silke bemüht sich, seine ausgeschweiften Tränensäcke und die dünne Haut zu ignorieren, doch die grauen Haare, die zur Hälfte auf der Couch zurückbleiben, veranlassen sie unversehens, die Gedanken zu Worten zu formen: „Du siehst aus wie ausgekotzt! Wie tot!“

Noch im Augenblick des Aussprechens will sie die Worte zurückhalten, aber die Sprechmaschinerie war bereits eingeleitet worden und lässt sich nicht mehr stoppen.

Der verbale Ausbruch steht unkommentiert im Raum, obwohl das Frank meist die Wutesröte ins Gesicht treibt. Silke nimmt sie vorsorglich zurück: „Es tut mir leid. Das war nur so dahingesagt“, um die Diskussion gar nicht erst aufkeimen zu lassen. Dieser Satz war meist gefolgt von „Jetzt reg dich aber bitte nicht auf!“, und als Silke dafür Luft holt, bemerkt sie wie der ganze Körper ihres Mannes zuckt. Das Zucken verfestigt sich zu einem Zappeln, welches schlagartig in einen Starrkrampf übergeht. Er stiert sie mit dem verachtenden Blick an, den sie nur allzu gut kennt. Er ist verzerrt und vom Hass getragen. Doch der Blick verliert an Intensität.

Silke nimmt aus Angst vor dem Anblick die Hände vom zitternden Körper ihres Mannes. Seine faltige Haut zottelt hin und her. Wäre es nicht so dramatisch, würde Silke sicherlich darüber lachen. Das laute und wiederholte Rufen seines Namens in der Hoffnung, er würde das nur vorspielen, treibt ihren Sohn Ben ins Zimmer. In der Tür stehend, fragt er: „Mama, was ist denn los?“

Silke läuft um die Couch zur Tür und drängt Ben aus dem Raum. Sie schließt die Tür vor ihm und erklärt ihm erst dann: „Bitte trag Papas Kleidung zusammen. Papa ist krank. Wir müssen den Krankenwagen holen.“

Nachdem sie diese Erkenntnis ausgesprochen hatte, wurde ihr die Wahrhaftigkeit dessen bewusst. Doch der nachfolgende Anblick verändert die Situation: Frank zittert gar nicht mehr. Die weit aufgerissenen Augen, das einfallende Gesicht mit dem stumm-schreienden Mund, bezeugen Franks letzten Schmerz.

Ben steht vor der Tür und ist sich unsicher, ob da wirklich seine Mutter gesprochen hat. Es war ihre Stimme, aber irgendwie auch nicht. Obwohl Ben sich darauf keinen Reim machen kann, folgt er fast anteilnahmslos Silkes seltsamer Anweisung.


Silke starrt entsetzt auf den Leichnam ihres Franks. Das Gefühl, sie könne es verstehen, wenn sie nur lang genug darauf schaut, verlässt Silke allmählich. Unverständnis breitet sich aus. Nichts Sinnvolles drängt sich dem Bewusstsein als Erklärung auf. Ein letzter Versuch soll die Unwirklichkeit der Situation entlarven, aber schon der widerstandslose Zustand beim Rütteln macht Silke deutlich, dass sie eine Leiche berührt. Entsetzt zieht sie ihre Hand zurück. Die Tatsache, dass es sich bei der Leiche um ihren Mann Frank handelt, hat Silke noch nicht erreicht. Tropfen um Tropfen füllt sich der Geisteszustand mit der Einsicht der morbiden Realität, die sie – nur um sich selbst davon zu überzeugen – laut ausspricht: „Frank ist tot! Frank ist tot“, dem sie resignierend hinzufügt: „Frank ist wirklich tot.“

Wie ein altes Haus, bricht Silke in sich zusammen. Erst ein Stein, dann eine Wand und am Schluss ist sie nur noch Schutt und Asche. Am Boden der Realität angekommen versteht Silke. Mehr noch, sie begreift, dass sie jetzt mit ihrem Sohn alleingestellt ist. Während die Tränen über ihre Wangen fließen, kristallisiert sich ein Aspekt immer mehr heraus. Silke ist über Nacht jung geworden. Frank ist im selben Zeitraum alt geworden und gestorben. Sie kann nicht mehr länger darüber hinwegschauen. Es war von Anfang an sinnlos.

Erst nachdem der Notarzt offiziell den Tod feststellt, die Leiche abtransportiert ist und die Polizei ihre Fragen einstellt, nimmt Silke die offensichtliche Wahrheit an, dass zwischen ihrer Jugend und seinem Tod ein Zusammenhang besteht.

Als sie ihren Sohn streichelt, der in ihren Armen hängt, blitzen die seltsamen Wahrnehmungskonflikte im Gedächtnis auf. Diese in Verbindung mit dem frappierenden Altersunterschied zwischen ihr und ihrem Mann lässt nur einen Schluss zu: Es ist etwas Übernatürliches am Werk. Es ist eine Art Hexerei. Teufelszeug. Just in dem Augenblick, als sie versucht, ihrem Sohn auf die Frage, „Warum siehst Du so komisch aus?“, zu antworten, beschließt sie, diesen Mann aufzusuchen, der ihr auf dem Parkplatz auflauerte.

Geschwind formuliert sie einige erklärende Sätze zu den Umständen in einem Brief, den sie in Bens Hand drückt und ihn damit zu seinen Großeltern schickt. Es mag seltsam erscheinen, dass sie in der Stunde der frischen Trauer nicht bei ihren Eltern ist, doch noch seltsamer wäre es für sie, ihren jugendlichen Teint zu erklären. So steigt sie in ihr Auto, noch bevor der Junge an seinem Bestimmungsziel am Ende der Straße angekommen ist.

Silke fährt schnell. Ihr Puls ist erhöht und das Adrenalin sprudelt durch ihre Adern. Sie parkt das Auto auf einem der Kundenparkplätze des Gasthofs zum Grünen Baum und sprintet zur Rezeption. Sie durchsucht vergeblich ihr Gedächtnis nach dem Namen des Gesuchten, als sie der Hotelangestellten mit dem Namensschild „Nicole Mayer“ gegenübersteht und stammelt: „Ist hier ein seltsamer Mann untergekommen, der irgendwie klingt wie ‚Dog‘ oder ‚Dag‘?“

Da schon die Realität so verschroben ist, ist vielleicht auch dem Gedächtnis nicht zu trauen. Deshalb probiert Silke erneut den Namen zusammen zu bekommen: „Vielleicht auch Doe, John Doe“, lacht sie leicht auf.

Die Rezeptionistin Nicole Mayer, die sich trotz ihres fast jugendlichen Alters schon viel anhören musste, reagiert konstant freundlich und übergeht, was sie nicht versteht. Nicole blickt nach unten und studiert das Gästebuch. Es gehört zu ihrer Stellenausschreibung den Gästen zu helfen, aber sie freut sich auch persönlich darüber, wenn sie helfen kann. Deshalb hat sie diesen Beruf gewählt, deshalb sieht sie sich an der richtigen Stelle.

Mit einem ehrlich strahlenden „Ja!“ verkündet Nicole: „Tatsächlich haben wir einen Gast mit einem so ähnlich klingenden Namen. Ich werde ihn für sie anrufen.“

Silke antwortet höflich auf die Frage, wen Nicole melden darf, und fiebert dem Klingeln des angerufenen Telefons entgegen.

Als es klingelt, schwimmen Silkes Gedanken weg, als könne sie sich nicht lange genug auf etwas konzentrieren. Silke beginnt die Hotelangestellte zu mustern. Sie genießt es, sich äußerlich mit ihr Messen zu können. Im Wettkampf um innere Werte läge Silke ihrer Meinung nach allein wegen ihrer Lebenserfahrung uneinholbar vorn.

Es tutet immer noch.

Darüber bangend, ob die vermutete Hoffnung auf Erklärung ausgeflogen sei, klopft Silke nervös mit dem Fingernagel auf den Tresen, was Nicole dorthin blicken und mehr aus Höflichkeit denn aus Aufrichtigkeit sagen lässt: „Sehr schöne Fingernägel.“

Scheinbar denkt Nicole, so Silkes Eindruck, Silke sei eine dumme Tussi. Dieses Konkurrenzdenken hatte sie seit Jahren nicht mehr bei sich erkannt. Doch Silke lässt es zu. Es soll seinen Platz unter den Gedanken in der ersten Reihe bekommen.


Mit verzogenem Gesicht betrachtet Silke nun Nicole, die in freundlichstem Ton zu Dagos sagt: „Hallo! Sie haben Besuch. Hier ist eine Frau Silke Eichmann.“

Nach einem kurzen Gespräch bestätigt Nicole: „Herr Dagos wird gleich herunterkommen.“

Keine zwei Minuten später steht Dagos in seiner abgewetzten Kleidung an der Rezeption und fragt nach: „Diese Frau, Silke Eichmann, sie soll hier sein?“

Dagos lief schon an ihr vorbei, obwohl sie die einzige Person in dem Raum neben der Rezeptionistin ist. Er folgt Nicoles Geste visuell, die auf Silke zeigt.

Dagos erwartete eine Frau im mittleren Alter und hakt zur Sicherheit abermals bei Nicole nach. „Die junge Frau dort drüben!“, versichert ihm Nicole.

Mit einem zweifelnden Gesicht nähert sich Dagos der ihm unbekannten Frau und begrüßt sie mit den Worten: „Kennen wir uns?“

Silke nickt: „Sie waren gestern auf dem Parkplatz und haben mein Auto blockiert. Ich weiß, ich sehe jetzt anders aus, genauer gesagt, jünger, aber ich bin es immer noch.“

Dagos bleibt skeptisch, obgleich ihm gewisse Ähnlichkeiten auffallen. Dann setzt er an: „Sie haben sich das vom Puca gewünscht? Das war es, was gestern passiert ist?“

Silke schaut ungläubig in Dagos Gesicht.

„Gewünscht?“, fragt sie nach.

Dagos nickt: „Ja. Kommen Sie.“

Er schiebt Silke aus der Tür. „Wir gehen hinaus an die frische Luft. Ich glaube, wir haben viel zu besprechen. Wenn es stimmt was ich denke, haben Sie mit ihrem verwunschenen Wunsch einen unheiligen Pakt geschlossen und sind mit einem Fluch belegt. Sie haben das Tor zu einer Hölle aufgestoßen, die ihre Realität verschlingt und sie in den Wahnsinn treiben wird.“

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Ich bin Cobromaro, Schüler des Attrebcottus - des großen Druidenmeisters und Kenners des Ululators. Ich wurde von den Göttern berührt. Ich bin Druide, Vates, Drumaros, Bezwinger von Rom, Kenner der Heilgewächse im Namen von Epona, Offenbarter der Macht des Sonnengottes Lugh, genannt Feuerlehrling, Kenner des Geheimnisses des Gottes Taranis und schreibender, gottloser Philosoph.

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