Was bisher bei ‘Der Wunsch‘ geschah:

Teil I – Der verwunsche Wunsch

Teil II – Nev brechtu, Druid! Cluto-Cluto Urtucis

Teil III – Jugendlicher Wahn

Teil IV – Im Angesicht des verfluchten Wunsches

Teil V – Halloween 2021

Teil VI – Druide Abancos und Kaiser Konrad II


Dagos sucht mit Silke den Ort auf und stellt fest, es ist ein heiliger Ort der frühreren Kelten in dem Ort Waller. Dagos weiß um den Wunschzauber und die tödlichen Folgen. Er eröffnet Silke, dass ihr Sohn den nächten Tribut zahlen wird. Um ihr zu helfen, muss Dagos die Hilfe von Kendra in Anspruch nehmen.

Teil VII – Der Firk

Dagos spielt die Bilder dessen, was ihn da erwarten könnte, vor dem inneren Auge ab. Die Szenarien reichen von einer heimlich gefrönten Drogensucht des Stadtarchivars bis zu einer Geliebten, mit der er dort ein Schäferstündchen verbringt. Leicht konsterniert ob der Unsicherheit, diese Erfahrung machen zu müssen, folgt Dagos Silke die Stufen des alten Gebäudes empor. Alte große Türen vermitteln den Eindruck, als handele es sich dabei um ein altes Schloss. Silke klopft an die Tür und ruft den Namen des Stadtarchivars. Dann rezipiert Silke lokales Schulwissen: „Das war früher ein barockes Kloster.“

Kaum ausgesprochen, pocht Silke erneut gegen die Tür. Mit gesteigerter Intensität macht sie sich ein drittes Mal bemerkbar. Von der gegenüberliegenden Seite aus nähert sich der Gesuchte skeptisch des Lärms wegen: „Was wollen Sie? Wer sind Sie?“, ruft der Stadtarchivar aus. Silke nennt ihm beim Vornamen ‚Daniel’, was ihn stutzen lässt und weshalb er gereizt reagiert: „Für Sie immer noch Herr Gutten.“

Die gewünschte Hilfestellung rückt in weite Ferne und so versucht es Dagos auf seine Weise. „Entschuldigen Sie bitte, Herr Gutten! Ich bin ein Fremder in der Stadt. Mein Name ist Dagos und ich bin nur einen Tag hier. Aber ich hörte, diese Stadt hat sehr alte Wurzeln. Es wäre mir eine große Ehre, wenn Sie mir einige Fragen beantworten könnten. Diese junge Dame war so lieb, mich hierher zu führen!“

Der Stadtarchivar fühlt sich ein bisschen gebauchpinselt und legt seine ablehnende Haltung ab. Er winkt Dagos und Silke herbei, die ihm in den Leseraum auf der anderen Seite des Flurs folgen. Dort kommentiert Silke das nicht vorgefundene Stadtgerücht mit „Wie langweilig!“

Die Aussagen der für ihn unbekannten jungen Frau befremden den Stadtarchivar etwas, doch die Schwelle der Empörung über ihre Anwesenheit ist noch nicht so weit überschritten, als dass Daniel Gutten ihre Anwesenheit hinterfragen würde. Doch als Silke für den Stadtarchivar zu frech nachfragt, „Was tun Sie am Sonntag hier?“, kann er nicht mehr an sich halten.

„Wer ist das?“, fragt Gutten Dagos empört, den er offenbar als den geeigneteren Gesprächspartner betrachtet. Dagos sucht nach einer Erklärung und überbrückt die Zeit für die Ausredensuche mit „Es ist nur…“, doch der Satz bleibt unvollendet. Dagos findet keine plausible Fortführung und so ändert er das Thema, in dem er seinen Wunsch nach Auskunft offenlegt: „Kennen Sie den Kobold Puca?“

Während der Denkpause, in der Dagos überlegt, wie er der suspekten Geschichte mehr Glaubwürdigkeit verleihen könnte, fragt Gutten nach: „Sie meinen den Kobold Firk? Es ist ein Dämon aus dem Mittelalter. Meinen Sie den?“

Gutten erkennt die Neugier in den Augen seines Gegenübers Dagos. Über ein solches Glitzern in Bezug auf die Historie und den Respekt gegenüber dem überlieferten Denken und Wissen, so die Lebensweisheit des Stadtarchivars, verfügt nur ein Geschichtsbesessener – ein Bruder im Geiste. Mit solchen Menschen teilt Gutten sein Wissen gerne, zumal derartige Gelegenheiten rar sind. Die meisten Gäste im Stadtarchiv wollen nur ihren Familiennamen zurückverfolgen und damit prahlen, dass ihr Stammbaum Jahrhunderte zurückreicht. Nur wenige interessieren sich aufrichtig für die Exkursionen des Stadtarchivars in die Geschichte der heimatlichen Stadt. Dabei, so Guttens Überzeugung, bietet die Geschichte nicht nur die besten Erzählungen, es ist darüber hinaus äußerst lehrreich.

Als Dagos wie erwartet nickt, verschwindet Gutten hinter den Regalen und kommt sofort mit einem Buch über die Legenden der Stadt zurückgeeilt. „Eines meiner Lieblingsbücher“, konstatiert Gutten freudig und schlägt eine Geschichte auf. Noch bevor er zu lesen beginnen kann, schlagen die Fenster an diesem bisher sonnigen Tag. Um das wiederholte und laute Fensterschlagen zu beenden, schließt Gutten diese und konstatiert: „Die Herbststürme gehen erst jetzt los. Das ist ein seltsames Jahr. Die Natur glaubt, es sei Frühling. Na ja, der September war auch viel zu warm.“

Allein der Blick auf den von Nebelschwaden verhangenen Stadtsee verrät dem Stadtarchivar, dass es Herbst geworden war. Doch so stark war der Nebel noch nie auf dem See. Dessen ungeachtet kehrt er zu seinem Publikum zurück.

Silke versucht dem, ihrem Gutdünken nach, Gerede eines alten Mannes die akustische Aufnahme zu ihrem Geist zu gewähren. Doch die Konzentrationsfähigkeit verliert sich in ihrer Sorglosigkeit. Nur kurz flackert die Sorge um ihr Bild nach außen auf, bis sich auch das verliert. Mit dem Festhalten der Gedanken an ihren Sohn sorgt sie für eine Mindestaufmerksamkeit, als die Geschichtsstunde beginnt: „Die Legende vom Firk! Ein Firk auf dem Markt! Oder: Der Firkknecht! Es sind alles Geschichten, die nach Meinung der Forschungsgemeinschaft bis in die Zeit der Kelten zurückzuführen sind. Es gibt einige auffällige Ähnlichkeiten zwischen den Legenden und den Sagen der Heiden von Vallerey. Dabei handelt es sich um die letzten Kelten im heutigen Gebiet von Oberschwaben und dem Allgäu, die ihre Kultur und Religion noch bis ins 7. Jahrhundert n. C. fortführten. Sie haben ihre Überlieferungen in Griechisch festgehalten. Einiges hat die Jahrhunderte überlebt. Diese Ähnlichkeit lässt den Schluss zu, dass sich die Legende vom Firken vom keltischen Puca herleitet. Durch die Lautverschiebung der Sprache von P nach F, so steht es hier, wurde aus Puca der heutige Firk. Faszinierend, nicht wahr?“

Seine Begeisterung platzte förmlich aus Gutten heraus. Um die Legenden nicht alle vorlesen zu müssen, verdichtet er den Inhalt mit spitzbübischem Duktus: „Der Puca erfüllt Wünsche, doch das geht nie gut aus. In allen Geschichten wird die Moral hervorgehoben, dass man vorsichtig sein soll, was man sich wünscht, denn es könnte in Erfüllung gehen.“

„Und wie kann man den Wunsch rückgängig machen?“, platzt es aus Silke heraus, die ihre Zeit schwinden sieht. Vielleicht, so ihre Hoffnung, findet sich ja doch noch eine Möglichkeit, ihre Jugend auszukosten. Je schneller sie vorankommen, desto weniger wäre ihr Mann umsonst gestorben, begründet sie ihre Gedanken vor sich selbst.

„Rückgängig?“, lacht der Stadtarchivar auf. „Nein. In allen Geschichten endet es mit dem Tod. Das wohnt dem Bösen eben inne, denke ich.“

Die entgeisterten Gesichter der lauschenden Gesellschaft stimmen Gutten nachdenklich. Unsicherheit mischt sich unter die Gedanken bis sie sich in der Frage ausdrückt: „Worum geht es hier? Eine Wette? Ihr beiden hängt doch unter einer Decke, oder?“

Sehr zur Erheiterung des Stadtarchivars verkündet Dagos mit Verweis auf Silke: „Diese ‚Legende‘ ist ein wahrer Teil der Geschichte und wiederholt sich alle 491 Jahre. Der lauteste oder vielmehr der intensivste Wunsch wird vom Puca ausgewählt. Aber eben nur ein Wunsch eines Menschen, der darum fleht. Offenbar geht das auf einen Vertrag zurück, der aber nicht mehr überliefert ist. Nur die Legende hat sich gehalten. Der Puca erfüllt einen Wunsch und der währt nur bis Allerheiligen.“

Mit „Aha“ bestätigt der Stadtarchivar Gutten, das Gesagte verstanden zu haben, nur die Pointe fehlt noch: „Und das bedeutet?“

Dagos stellt sich zu Silke und erläutert: „Silke hier, also Silke Eichmann – sie ist über 50 Jahre alt, aber sie sieht gar nicht danach aus, nicht wahr?“

Noch immer auf den Clou wartend, nickt Gutten es in der Hoffnung, die Sache zu beschleunigen.

„Silke Eichmann hat sich Jugendlichkeit gewünscht und hat es erhalten. Das ist Silke Eichmann. Sie kennen Sie, nicht wahr?“.

Der Groschen in Guttens Kopf hat noch kein Echo ausgelöst und so bestätigt er fast fragend: „Ja. Ich kenne Silke Eichmann, die Frau von Frank Eichmann. Aber die ist, bei allem Respekt, etwas älter.“

Gutten versucht immer wieder etwas Vertrautes in Silkes Gesicht auszumachen. Plötzlich war es da. Gutten ist sich unsicher, sind es die Augen oder vielleicht die Nasenspannung oder der Mund? Eine Ähnlichkeit pellt sich vor seinem geistigen Auge heraus. Je länger er sie anblickt, desto mehr überlappt sich diese Person mit der aus seiner Erinnerung. Schließlich ruft er verzaubert und gleichsam entsetzt aus: „Heilix Blechle! Ernsthaft?“

Mit vornehmlichen Entsetzen, das seinen Ursprung in der Neugier hat, schiebt Gutten ein „Wie?“ nach, welches in voller Länge der Frage: ‚Wie kann das sein?‘ Ausdruck verleihen soll. Dagos versucht, das Unmögliche weiter zu beschreiben: „Alte Legenden haben immer einen wahren Kern.“

Schluckend nickt Gutten und hält fest: „Ich wusste es“, wobei er an zahlreiche Diskussionen über die Wahrhaftigkeit von Legenden mit Freunden und der eigenen Frau dachte. Jetzt hatte er einen außerordentlichen Beweis.

Allmählich begreift Gutten die volle Konsequenz der Legende und fragt Silke: „Doch wer ist dafür gestorben? Es sterben doch immer Menschen im Umfeld des Firks!“

Phlegmatisch und etwas trocken, wie Dagos und Gutten befinden, sagt Silke: „Mein Mann.“

Dagos klärt Gutten über die Vergesslichkeit im Zusammenhang mit der Verjüngung auf. Doch das auffällige Verhalten von Silke nimmt seltsamere Formen an, als Silke vorschlägt, die Örtlichkeit zu wechseln und eine Bar anzusteuern. Dagos und Gutten lehnen erneut ab. Als Silke laut schnaubt, „Das ist langweilig!“, wiederholt Dagos: „Es ist ihre Jugend, die sie vergessen macht. Sie kehrt allmählich auf den Wissensstand ihrer Jugend zurück und vergisst die Menschen, die in ihrem jetzigen Leben wichtig sind. Deshalb vergaß sie ihren Mann und was er ihr einst bedeutete.“

Dagos dreht sich zu Silke, schaut in ihre Augen und gibt ihr zu bedenken: „Du hast einen Sohn. Weißt Du das noch? Du musst Dich auf ihn konzentrieren. Wenn wir keine Lösung finden, dann wird Ben mit seiner Lebenszeit für Deine Jugendlichkeit bezahlen. Dein Mann hat nur für einen Tag bezahlt, doch die Rechnung des Pucas für morgen ist noch offen. Verstehst Du das?“

Tatsächlich hatte sie diesen Gedanken aus den Augen verloren, doch er lässt ihr auch die Tränen über das Gesicht rollen. Erst in diesem Augenblick begreift sie die ganze Spannweite ihres Wunsches nach Jugend. Sie wiederholt seinen Namen „Ben“ und kramt ein Bild aus ihrer Tasche, das sie mit den Augen fixiert. „Das ist gut! Konzentriere Dich auf Deinen Sohn. Das hilft bestimmt.“


„Wie können wir den Wunsch aufhalten oder rückgängig machen?“, fragt Dagos den Stadtarchivar, der just beschloss, seine Macht in den Dienst dieser Sache zu stellen. Denn Gutten weiß, dass diese Sache das Aufregendste ist, was er auf seine alten Tage noch erleben würde. Er setzt sich an seinen Computer und findet in kürzester Zeit alles zum Thema Firk. Die Liste der Bücher, in denen Firk vorkommt ist für einen Sonntagnachmittag doch recht lang. Er nimmt einen Bücherwagen und stellt flink die Liste an Werken zusammen. Dagos wirft einen sorgenden Blick zu Silke, und folgt dann dem Geraschel des Archivars, der die Arbeitsaufteilung verkündet: „Wir haben viel vor uns. Sie nehmen die Legenden von Firk in Angriff und ich die Stadtchronik!“

Dagos empfiehlt: „Um die Suche einzugrenzen: Der letzte bekannte Vorfall war im Jahr 1530. In unseren Chroniken ist es die Legende des Druiden Trastos. Das Wunschszenario findet alle 491 Jahre statt. Also suchen Sie um das Jahr 1530 und 1039, je nachdem ob gregorianischer oder julianischer Kalender, mit einer Abweichung von fünf oder sechs Tagen zu Samhain, ähh Halloween.“

Während der Stadtarchivar Gutten und der Druide Dagos die Bücherliste nach Anhaltspunkten durchgehen, schleicht sich Silke unbemerkt aus den Räumlichkeiten. Sie wiederholt den Namen ihres Kindes, bis sie sich plötzlich fragt, wessen Bild sie anschaut. Sie vergisst den Grund ihrer Anwesenheit. Die Jugend in ihr wünscht sich Geselligkeit und so peilt Silke die Bar-Szene der Stadt an. Erst als Dagos Handy durch Kendras Anruf klingelt, heben die beiden Geschichtsbesessenen ihre Köpfe aus den Büchern. Gutten schaut etwas genervt drein, weil ihn das Geräusch aus der Konzentrationsversenkung holt und er Handys in der Bibliothek eigentlich nicht duldet. Dagos beschwichtigt ihn mit einer Handbewegung und geht auf den Flur, um das Gespräch entgegen zu nehmen.

„Dagos, ich bin in dieser Stadt Waller. Wo bist Du?“, fragt Kendra. Ohne eine Antwort abzuwarten, plappert sie drauf los: „Ich habe Neuigkeiten. Etwas, das mir bereits früher aufgefallen war. Aber ich habe es bisher nicht für wichtig gefunden, dafür einen Streit mit den Besserwissern der Community vom Zaun zu brechen. Du weißt wie diese Leute drauf sind. Aber das könnte die Lösung sein!“

Dagos Freude löst ein Herzpochen aus, das fast durch das Telefon dringt und so verhaspelt er sich anfangs etwas: „Ja. Ich … Du bist hier. Ich … Ich hol Dich ab. Ich bin im Stadtarchiv. Schick mir Deine GPS-Daten. Ich hol Dich ab.“

Dagos entschuldigt sich beim Stadtarchivar: „Es gibt Hoffnung auf weitere Hinweise zur Klärung. Ich bin gleich wieder da.“

Seine Vorfreude, Kendra wiederbegrüßen zu können, nimmt deutliche psychosomatische Züge an. Mit kontrollierten Atemzügen übt er sich in Contenance.

Als Dagos aus der Tür ist, übermannt den Stadtarchivar der Zweifel, sodass er sich telefonisch in seinem Bekanntenkreis nach Frank Eichmann erkundigt. Nicht nur, dass Gutten der mysteriöse Tod Frank Eichmanns bestätigt wird, auch der fragliche Verbleib der Frau machte die Runde. Das verdächtige Verhalten, so eine scheinbar letztnötige Information, würde die Schlussfolgerung vereinfachen: Silke Eichmann habe mit dem Tod ihres Mannes zu tun. Es wurde zwar nicht ausgesprochen, jedoch zweifelsfrei angedeutet. Gutten wägt die Gerüchte, denen er durchaus zu glauben geneigt war, mit der Tatsache ihres jugendlichen Aussehens ab. Er hadert mit der Frage, ob es eine übernatürliche Macht war oder eine womöglich irdische Macht wie eine Schönheitsoperation. Denn Gutten glaubt fest an den Fortschritt der Menschheit durch Technik. Dies ist der Maßstab für eine moderne Gesellschaft für Gutten, denn nie war man so fortschrittlich wie heute. Und wenn dies die Wahrheit ist, dann wäre es doch möglich, dass man ihn mit eben dieser fortschrittlichen Technik zu blenden vermag. Dies macht ihn womöglich gleichsam zum Komplizen in einem möglichen Strafverfahren, denn die Polizei wird diesen Überlegungen möglicherweise folgen. Kaum leuchtet der Geistesblitz auf, greift Gutten zum Telefon und wählt seine Nummer.

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Ich bin Cobromaro, Schüler des Attrebcottus - des großen Druidenmeisters und Kenners des Ululators. Ich wurde von den Göttern berührt. Ich bin Druide, Vates, Drumaros, Bezwinger von Rom, Kenner der Heilgewächse im Namen von Epona, Offenbarter der Macht des Sonnengottes Lugh, genannt Feuerlehrling, Kenner des Geheimnisses des Gottes Taranis und schreibender, gottloser Philosoph.

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